Kerzenstummel in der Rumpelschublade

Mon, 30 Nov 2020 08:55:12 +0000 von Wolfgang Ziehe

Ich kann gut Ordnung halten, jedoch nicht in der Küchenschublade. Das Durcheinander habe ich so von meiner Oma übernommen. Der Großvater nannte sie Omas Rumpel­schublade, weil darin stets eine große Unordnung herrschte. Hier fanden wir noch immer Klebeband, eine Rolle Draht und Gummiringe, Büroklammern, Heftpflaster, Streichhölzer, Groschen und Pfennige und allerlei kleine Gegenstände, die man vielleicht noch mal gebrau­chen konnte. Wer von uns etwas suchte, schaute zuerst in der Rumpelschublade nach. 

Jedes Jahr am Heiligabend ging der Großvater in die Küche und zog die Küchenschub­lade auf und durchstöberte ihren Inhalt. Schließlich fragte ihn meine Oma: „Was suchst du denn?“ - „Haben wir die kleine Kerze nicht mehr? Weißt du, die vom letzten Jahr? Die ist doch letztens noch hier drin gewesen“, erklärte der Großvater. - „Na, schau doch mal richtig.“ Noch während sie sprach, warf sie einen Blick in die Küchenschublade, griff hinein und hielt den kleinen Stummel in der Hand.  „Hier ist er doch!“ - „Danke!“, sagte der Großvater. Mit dieser übrig gebliebenen Kerze zündete er die Lichter am Weihnachtsbaum Jahr für Jahr wieder an. Damit hatte er einen eigenen Lichterbrauch für uns geprägt.
 
Und was mache ich heute? Auch ich lasse am 6. Januar alle Kerzen bis auf eine am Weihnachtsbaum ganz abbrennen und lege den Stummel weg. Im Laufe der Jahre sind es drei geworden. Warum? Ich kann es nicht sagen. Heute am Vormittag sind mir die Stummel ins Auge gefallen. Gut, dass sie noch da sind. 
Quelle: Wolfgang Ziehe
Mitlerweile sind es drei Stummel geworden...
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